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Niedersachsen-Forum Alter und Zukunft mit 300 Gästen
Niedersachsen-Forum Alter und Zukunft mit 300 Gästen

30. Oktober 2024

Niedersachsen-Forum Alter und Zukunft: Rund 300 Teilnehmende informierten sich in Nordhorn

Licht in ein Thema bringen, das noch immer häufig im Dunkeln liegt: Dieses Ziel verfolgte das Niedersachsen-Forum Alter und Zukunft, das am 29. Oktober 2024 im NINO-Hochbau in Nordhorn stattfand und mit dem Titel „Einsamkeit und soziale Isolation – Herausforderungen des 21. Jahrhunderts?“ überschrieben war. Verschiedene Referentinnen und Referenten zeigten dabei eindrucksvoll, auf welche Weise der Einsamkeit begegnet werden kann, die heute mitunter als „Volkskrankheit Nummer eins“ bezeichnet wird – und nicht nur alte Menschen in der Großstadt, sondern auch junge Leute auf dem Land betreffen kann. Eine der zentralen Fragen dabei: Was können wir alle tun, um unsere Gemeinschaft zu stärken?

Was es überhaupt mit dem Thema Einsamkeit auf sich hat, welche Ursachen und Auswirkungen es gibt, erfuhren die rund 300 Gäste zu Beginn des Thementages durch die Vorträge von Dr. Julian Packheiser (Ruhr Universität Bochum) und Kathrin Hildebrand (leitende psychologische Psychotherapeutin in der Psychiatrie und Psychotherapie der Euregio-Klinik in Nordhorn). Packheiser verglich das Gefühl von Einsamkeit mit dem Gefühl von Hunger: „Der Kontakt zu anderen Menschen ist für uns so grundlegend wie die Nahrungsaufnahme, da wir ohne Sozialkontakt verwahrlosen und es sich negativ auf unsere Gesundheit auswirkt.“ Er unterschied dabei zwischen emotionaler Einsamkeit, die gekennzeichnet ist durch das Fehlen von besonders vertrauensvollen, intimen Beziehungen, und sozialer Einsamkeit, die das Fehlen einer ausreichenden Anzahl an Beziehungen und Freundschaften beschreibt.

Als wichtigste Risikofaktoren nennt Packheiser unter anderem Armut und Arbeitslosigkeit, gesundheitliche Einschränkungen und fehlende Teilhabe sowie soziale Isolation und unzureichende soziale Beziehungen. Die Auswirkungen sind signifikant und reichen von gesundheitlichen Problemen (Stress, Schädigung des Immunsystems) über berufliche Schwierigkeiten (schlechtere Performance, weniger Kreativität) bis hin zu gesellschaftlichen Folgen (politisch radikalere Einstellungen, verstärktes Glauben an Verschwörungstheorien).

Kathrin Hildebrand erklärte, man dürfe nicht Alleinsein und Einsamkeit verwechseln: Alleinsein sei ein äußerlicher, objektiver Zustand, der zunächst neutral zu bewerten ist. Einsamkeit hingegen sei ein innerlicher, subjektiver Zustand, der von außen nicht beobachtet werden kann. Laut einer Untersuchung (Luhmann & Hawkley, 2016) gehörten zu den „vulnerablen Personen“, die von Einsamkeit betroffen sind, vor allem Menschen zwischen 18 und 25 Jahren sowie Menschen über 80.

Was aber kann unternommen werden, um Einsamkeit entgegenzuwirken und bestenfalls sogar vorzubeugen? Dazu wurden im NINO-Hochbau exemplarisch drei verschiedene Projekte vorgestellt:

  • Renate Bremer präsentierte das seit mehr als zehn Jahren in der Grafschaft verankerte Projekt „MOKU – Mobile Kulturbegleitung“. Das Motto lautet: „Gemeinsam Kultur erleben – wir machen es möglich.“ Da niemand gern allein ins Kino, Theater oder zu einem Konzert gehe, sorgen die ehrenamtlichen Kulturbegleiter für Gesellschaft. „Wir holen Sie von Zuhause ab, begleiten Sie zu einer kulturellen Veranstaltung Ihrer Wahl und bringen Sie anschließend wieder nach Hause.“ Das Gebiet erstreckt sich auf die Grafschaft, bis nach Lingen sowie nach Rheine.
  • Andrea Lehmann stellte das Projekt „Alter Falter“ vor – ein Pilotprojekt für alte und junge Menschen in Münster zur Überwindung von Einsamkeit und sozialer Isolation, angegliedert an das bundesweite Programm „Miteinander-Füreinander“ des Malteser Hilfsdienstes. Im Rahmen von „Alter Falter“ wurde das Thema Einsamkeit mit Grundschülerinnen und -schülern besprochen, die anschließend mit Seniorinnen und Senioren in Kontakt traten und gemeinsam mit ihnen kreativ wurden. Der Anspruch des Projekts ist es, sowohl einzelnen Personen konkret zu helfen als auch allgemein einen offeneren Umgang mit dem Thema zu bewirken.
  • Silke Oppenhausen von der Arbeiterwohlfahrt Region Hannover gab Einblicke in das Projekt „Mittendrin älter werden – vor Ort aktiv“. 2023 gestartet, wird es noch bis 2027 von Stadt und Region Hannover sowie dem Europäischen Sozialfonds gefördert. Konkret werden dabei Menschen ab 60 Jahren im Stadtteil unterstützt, an Freizeitaktivitäten teilzuhaben, sich in der Nachbarschaft zu engagieren und/oder eine Erwerbsarbeit – passend zu ihrer Lebensphase – zu finden. Verschiedene Angebote wie Sprechstunden, Mittagstisch und Nachbarschaftscafé zählen ebenso dazu wie schlichtweg Präsenz zu zeigen und mit den Menschen auf der Straße ins Gespräch zu kommen.

Mit einer Talkrunde wurde anschließend der Blick auf die Situation in der Grafschaft gelenkt. Miteinander ins Gespräch kamen dabei Birgit Baumann (Freiwilligen-Agentur Grafschaft Bentheim), Lena Dulle (Bereichsleiterin soziale Dienste, ev.-ref. Diakonisches Werk), Christian Hüser (Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Grafschaft Bentheim), Dieter Wiggers (altref. Pastor und Vorsitzender der ACK Grafschaft Bentheim), Dr. Ansgar Siegmund (Chefarzt Psychiatrie und Psychotherapie an der Euregio-Klinik), Dr. Hermann Thole (Vorsitzender des Seniorenbeirats der Stadt Nordhorn und Vorstand der Hospiz-Stiftung Grafschaft Bentheim) sowie Dr. Annegret Hölscher (Leiterin der Selbsthilfekontaktstelle und Gesundheitsregion des Landkreises Grafschaft Bentheim).
Die Runde offenbarte eine eindrucksvolle Vernetzung der verschiedenen Stellen in der Grafschaft und brachte das gemeinsame Bestreben zum Ausdruck, sich dem Thema Einsamkeit auch in Zukunft stellen zu wollen. Die Vielfalt der hiesigen Hilfsangebote zeigte sich auch beim „Markt der Möglichkeiten“ im Foyer des NINO-Hochbaus, bei dem sich zahlreiche Einrichtungen und Selbsthilfegruppen vorstellten.

Zu Beginn des Tages hatte Landrat Uwe Fietzek alle Anwesenden willkommen geheißen, und auch Dr. Andreas Philippi, Niedersächsischer Minister für Gesundheit, Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, übermittelte ein Grußwort per Video. Moderiert wurde die Veranstaltung durch Thomas Altgeld, die musikalische Begleitung am Klavier erfolgte durch Sharareh Gross. Der Tag endete mit der Botschaft, dass nicht nur große Projekte, sondern auch kleine Dinge im Alltag viel bewirken können – und sei es nur ein Lächeln.

Zum Niedersachsen Forum Alter und Zukunft:

Das Niedersachsen Forum Alter und Zukunft wird im Auftrag des Niedersächsischen Sozialministeriums bereits seit 1992 einmal jährlich organisiert, jeweils in Kooperation mit einer niedersächsischen Kommune. Ausführende Stelle ist die Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e. V. (LVG & AFS Nds. HB e. V.), unterstützt durch die Landesagentur Generationendialog Niedersachsen, in Zusammenarbeit mit der jeweiligen Kommune – in diesem Fall der Landkreis Grafschaft Bentheim.

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