Alltag mit traumatisierten Kindern - Pädagogische Handlungsmöglichkeiten
Der alltägliche Umgang mit traumatisierten Kindern stand dieses Mal im Mittepunkt der alle zwei Jahre stattfindenden Fortbildungsveranstaltungen für Fachleute und Pflegeeltern, die kürzlich von den Pflegekinderdiensten des Landkreises Grafschaft Bentheim und der Stadt Lingen in Kooperation mit der VHS Grafschaft Bentheim durchgeführt wurde. Hedi Gies, Traumaberaterin und Leiterin des Instituts „Trauma und Pädagogik“, referierte gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin Kathrin Kraus am Freitagabend vor über 100 Fachleuten aus Erziehungseinrichtungen und Beratungsstellen, sowie am Samstag vor 46 Pflegeeltern über pädagogische Handlungskompetenzen im Alltag mit traumatisierten Kindern.

Gunda Gülker-Alsmeier (Fachbereichsleiterin Familien und Bildung des Landkreises) , Karola Langenhoff (VHS), Hein Barlage (Abteilungsleiter des Landkreises), Hedi Gies (Referentin – Institut für Traumapädagogik) mit Mitarbeiterin Kathrin Kraus (von links nach rechts)
Gunda Gülker-Alsmeier, Leiterin des Fachbereiches Familie und Bildung beim Landkreis Grafschaft Bentheim, hatte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßt und den Anwesenden Respekt gezollt: „Dass Sie nach einem langen Arbeitstag am Freitagabend so zahlreich erschienen sind, zeigt, wie wichtig dieses Thema ist.“ Anschließend folgte eine mit vielen praktischen Beispielen angereicherte Einführung in die Grundlagen der Trauma-Pädagogik. Dabei handele es sich nicht um eine Methode, so Gies, sondern um eine Haltung. Krank sei nicht das Kind, sondern das, was es erlebt habe. Sie warnte jedoch vor einer inflationären Verwendung dieses Begriffs. Ein Trauma sei zwar schwer zu definieren, habe aber in der Regel mit Gewalterfahrungen oder schweren Erkrankungen zu tun. Das könnten Krieg und Flucht sein, aber auch Vernachlässigung oder Verlust der Eltern. Als Opfer oder Zeuge eines lebensbedrohlichen Ereignisses könne man ein Trauma erleiden und würde in der Folge von starken Angstgefühlen, Einsamkeit und Entsetzen beherrscht.
Für Pädagogen bedeute der Umgang mit traumatisierten Kindern vor allem die Bewältigungsstrategien der Kinder zu verstehen. Das sei nicht einfach, denn ihnen gehe es darum, das Leben bestimmende Ohnmachtsgefühl mit Hilfe dieser Strategien durch Allmacht zu ersetzen. Deshalb könne es vorkommen, dass traumatisierte Kinder gewalttätig würden oder Essensvorräte anlegten, um sich auf diese Weise vor weiteren Entbehrungen oder Verletzungen zu schützen. Aus Sicht der Kinder sei dieses Verhalten sinnvoll, deshalb müssten Pädagogen mit ihnen daran arbeiten, sich nicht von den Bewältigungsstrategien beherrschen zu lassen, sondern sie unter Kontrolle zu bringen. Das sei allerdings ein langer Prozess und nur dann erfolgreich, wenn das Stressniveau der Kinder sich auf einem mittleren Level befinde.
„Wer kann ruhig zuhören oder sein Verhalten ändern, wenn er sich bereits auf 180 befindet“, so Hedi Gies. Wichtigstes Ziel der Pädagogen in der Alltagsarbeit mit traumatisierten Kindern sei es, verlässliche Bindung und Sicherheit zu bieten, ihnen die Gründe für ihr Verhalten zu erklären und gemeinsam mit ihnen nach Alternativen zu suchen.
Die von der VHS-Fachbereichsleiterin Karola Langenhoff begleitete Veranstaltung schloss mit zahlreichen Fragen des interessierten Fachpublikums.